Presseinfo: 125 Jahre EGT – Dramatische Gründerjahre
„Gründergeschichten sind immer spannend“, freuen sich Rudolf Kastner, Aufsichtsratsvorsitzender und Jens Buchholz, Vorstand der EGT AG über die Erkenntnisse zum Werden der EGT. Über die Entwicklung der Unternehmensgruppe finden sich im Archiv der EGT und in verschiedenen Stadtarchiven der beteiligten Kommunen allein zur Gründerzeit mehrere laufende Meter an Akten und Dutzende Ordner zum Verlauf der Unternehmensgeschichte.
Dass Triberg bei der Erschließung einer ganzen Region mit Elektrizität die Vorreiterrolle innehat, ist den Wasserfällen zu verdanken. Der Inbetriebnahme der elektrischen Straßenbeleuchtung Tribergs geht im Frühjahr 1884 ein Vortrag von Professor Heinrich Meidinger von der Technischen Hochschule in Karlsruhe voraus, der als früher Experte zur Nutzung von Elektrizität gilt. Er überzeugt den damaligen Bürgermeister Buisson samt Gemeinderat davon, eine elektrische Straßenbeleuchtung einzuführen und für deren Betrieb die Kraft der Gutachwasserfälle zu nutzen. „Die Verhältnisse seien außerordentlich günstig“, so seine Schlussfolgerung.
Triberg lässt Taten folgen: Zwei Dynamomaschinen erzeugen ab Mai 1884 mit der Kraft der Gutach elektrische Energie und transportieren sie mittels sehr einfach geführter Leitungen über Dächer hinweg und an Hauswänden entlang zu einer wachsenden Anzahl von Straßenlaternen. Schließlich sind es neun Bogenlampen, die abends die Hauptstraße samt Marktplatz taghell ausleuchten.
Die Elektrizität katapultiert im ausgehenden 19. Jahrhundert in Form von elektrischem Licht und Elektromotoren die gesamte Region Triberg in eine vielversprechende Zukunft. Es geht allerdings langsam voran. 1888 werden in der Stadt am Wasserfall gerade einmal 200 Glühlampen mit Lichtstrom versorgt, 1892 sind es immerhin bereits über 1.500. „Im Jahr 2021 sprechen wir über jährlich ca. 210 Mio. kWh und damit das 28fache an elektrischer Energie, die über 1.665 Kilometer an Kabel- und Freileitungen zum Verbraucher fließen. Das Netzgebiet der EGT umfasst heute 245 Quadratkilometer“, erläutert Vorstand Jens Buchholz den Sprung bis heute.
Der Ruf nach elektrischem Licht wird 1888 immer lauter. Die Stadt Triberg erwirbt die Obere Mühle unterhalb der Wasserfälle und richtet dort ein Gleichstromwerk ein, sodass sie in der Lage ist, das gesamte Stadtgebiet mit Strom zu beliefern. Die nach wenigen Monaten angeschlossenen 200 Glühbirnen lasten die 100-PS-Turbine allerdings gerade zu einem Drittel aus, die Stadt Triberg finanziert ein ständiges Defizit und ist auch den technischen Herausforderungen nicht länger gewachsen.
1892 werden alle badischen Bürgermeister von Großherzog Friedrich II. ins eben durch die AEG elektrifizierte Schloss und Hoftheater nach Karlsruhe eingeladen, um die elektrischen Errungenschaften zu bestaunen. Hier lernt Tribergs amtierender Bürgermeister Hock den für die Elektrifizierung verantwortlichen Ingenieur Direktor Carl Meissner kennen und beauftragt ihn, eine Übernahme der Triberger Stromversorgung durch die AEG zu prüfen. Meissner übernimmt mit finanzieller Unterstützung seines Schwagers und Teilhabers Friedrich Kranich die Anlagen der Stadt Triberg schließlich selbst. Die beiden gründen in Triberg das Unternehmen „Meissner & Co.“
Bald hat der erfahrene Ingenieur das desolate Triberger Gleichstromwerk auf Vordermann gebracht: Das Unternehmen benötigt jetzt bedeutend mehr Energie und errichtet an den Wasserfällen ein zweites E-Werk, das Obere Werk. Seine als Direktor des AEG-Installationsbüros von Lauffen gewonnenen wertvollen Erfahrungen nutzt Meissner in Triberg für Weiterentwicklungen: Im Oberen Werk werden erstmals in Deutschland hochgespannte 5.000 Volt an Wechselstrom bereits in der Turbine erzeugt und unmittelbar in die Fernleitung eingespeist. Diese 5.000 Volt überträgt Meissner nach Hornberg und Furtwangen, wo sie auf Gebrauchsspannung heruntertransformiert werden.
Die Pioniertaten von Carl Meissner finden weit über die Region Triberg hinaus Beachtung. Die mit dem Aufbau einer regionalen Stromversorgung verbundenen technischen und finanziellen Herausforderungen nehmen allerdings ständig zu, seine Situation wird immer prekärer. Schließlich gibt er sich mit Erfolg auf die Suche nach finanzstarken Partnern: Im kunstsinnigen Privatier Friedrich von Schoen, dem Diplomaten Wilhelm von Schoen und dem berühmten Erfinder Carl von Linde findet Carl Meissner in Bayern millionenschwere Investoren, die von der lukrativen Zukunft des Unternehmens in der Raumschaft Triberg überzeugt sind. Am 19. Mai 1896 wird die Elektrizitätsgesellschaft Triberg gegründet, die aus der „Meissner & Co.“ hervorgeht.
Den früheren Haupteignern gehören am neuen Unternehmen noch sieben Prozent. Insgesamt stellen die EGT-Gründer in Triberg zum weiteren Ausbau der regionalen Stromversorgung zunächst ca. 700.000 Reichsmark bereit, was laut einer Umrechnungstabelle der Deutschen Bundesbank für historische deutsche Währungen in die Gegenwart in etwa 2,4 Millionen Euro entspricht.
„Heute würde man bei ‚Meissner & Co.‘ wohl von einem Start-up sprechen“, so Rudolf Kastner „einer Unternehmensgründung mit einer innovativen Geschäftsidee und hohem Wachstumspotenzial. Meissner hatte es mit einem noch jungen Markt zu tun und musste erst ein funktionierendes, skalierbares Geschäftsmodell finden. Um eine Zukunftschance zu haben, bedurfte es einer enormen finanziellen Unterstützung durch Investoren.“
„Und die spannende Geschichte geht mit Gründung der Elektrizitätsgesellschaft Triberg weiter“, ergänzt Jens Buchholz „denn die Aufgabenlast war gewaltig. Die Herausforderungen der Gründer waren nicht nur Stromerzeugung und Netzausbau, sie bauten damals schon Batterien, sogenannte Akkumulatoren und beschäftigten sich mit Elektromobilität. Aktuelle Themen, die uns heute – nach mehr als 125 Jahren – intensiver denn je beschäftigen.“
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